Burg Wasigenstein
Eine sagenumwobene Burgruine im Nordelsaß

Der Wasigenstein gehört zur Kommune Obersteinbach, Kanton Weißenburg, Department Bas-Rhin. Der Burgfelsen erhebt sich hart an der deutschen Grenze im Elsaß, in der Luftlinie etwa 1,7 km nord-nordöstlich von Obersteinbach(1). Der Wasigenstein ist eine typische Felsenburg des Wasgaus und aus mancherlei Gründen eine der interessantesten Anlagen dieses Gebiets.

Zum einen ist der Wasigenstein eine der besonders kühnen Felsenburgen des Wasgaus. Betrachtet man die festen Mauern, die zum allergrößten Teil unmittelbar an oder gar über dem steilen Felsabgrund gebaut wurden, so erscheint dem Betrachter die von den Handwerksleuten beim Bauen erbrachte Leistung unter den damaligen Bedingungen derart übermenschlich, daß die Entstehung der mit dem Bau einer solchen Burg verbundenen Sagen gar nicht mehr verwundert. Welche Mühsale müssen die Maurer und Steinmetze, vor allem aber die Hilfskräfte auf sich genommen haben! Wie viele Opfer mußten gebracht werden, um Bauten dieser Art erstehen zu lassen! Das alles wird dem modernen Menschen bewußt, wenn er, wie auch der Verfasser, schweißdurchtränkt und nach Luft ringend, nur einfach die unzähligen Felsentreppen der Anlage ohne alle schwere Last hinter sich gebracht hat.

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Abb. 1: Ansicht des Wohnturms Neuwasigenstein von Süden, Foto des Verfassers, 1992

Zum anderen weckt der Wasigenstein romantische Reminiszenzen wegen des Walthari-Liedes. Die Handlung dieser Sage soll sich am und in der Nähe des Wasigensteins zugetragen haben, allerdings zu einer Zeit, als noch lange keine Burg den Gipfel des Wasigensteins krönte: das Gefecht zwischen Walther von Aquitanien und Hagen von Tronje und den Mannen des Königs Gunter aus Worms fand, wenn überhaupt, Anfang des 5ten Jahrhunderts statt. Die Sage soll hier weiter hinten geschildert werden.

Zum letzten ist die Burganlage auch wegen des guten Erhaltungsgrads, der architektonisch besonders qualitätvollen Bausubstanz und wegen einiger baulicher Besonderheiten ein interessantes burgenkundliches Objekt.

Lage und Topologie der Burg

Der Wasigenstein, mit einer Höhenlage von 340 Metern über NN., erhebt sich auf einem spornartigen Ausläufer des Maimont über dem Tal des Langenbachs, der nicht weit oberhalb des Wasigensteins entspringt und zwischen Ober- und Niedersteinbach in den Steinbach mündet. An einigen Stellen weitet sich das enge Tal des Langenbachs und dort haben sich kleinere Weiher und Tümpel mit Fischbestand gebildet. Gegenüber des Burgsporns erheben sich der Kleine Arnsberg und der Armersberg, wobei der letzte großartige Ausblicke auf den Wasigenstein gewährt.

Der Wasigenstein wurde auf zwei voneinander durch einen Spalt getrennten, sehr steilen und schmalen Felsriffen erbaut und ist demnach eine Doppelburganlage: die ältere, obere Burg Alt-, Hinter-, oder Großwasigenstein auf dem östlichen Teil des Felssporns und die kleinere, jüngere Neu-, Vorder- oder Kleinwasigenstein auf dem westlichen Felssporn. Der Felssporn - und auch das Mauerwerk - besteht aus dem für die Gegend so typischen rötlichen Buntsandstein.

So wie die beiden Burganlagen topologisch getrennt sind, so weisen beide auch über weite Strecken eine unterschiedliche Geschichte auf.

Die Burg in der Literatur

Ob des Bekanntheitsgrades und der Bedeutung der Burg findet die Anlage in vielerlei Werken Erwähnung. Die Qualität und die Stimmigkeit der Beiträge sind allerdings unterschiedlich. Unter den Standardwerken seien die folgenden genannt(2): In Wolffs Burgenlexikon werden der Anlage 4 Seiten gewidmet (S.355-358). Nach heutigen Erkenntnissen ist die von Wolff aufgeführte Geschichte der Burg nicht allzu falsch, leider ist der abgedruckte Grundriß, der auf Winkler zurückgeht, fehlerhaft. Bauteile fehlen ganz und die Bemaßung ist falsch. Die Beschreibung der erhaltenen Bauteile ist dürftig.

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Abb. 2: Wasigenstein, Zeichnung von Bodo Ebhardt, aus; Der Wehrbau Europas im Mittelalter, Band 1, S. 332

Bei Ebhardt, Wehrbauten..., findet die Burg nur ganz kurz Erwähnung. Neben einer Abbildung wird die Burg lapidar unter die Ringmauer- oder Mantelburgen eingereit. In Pipers Burgenkunde wird die Burg an mehreren Stellen erwähnt (S. 142, S. 511 u. S. 576/77). Eine nähere Untersuchung der Anlage sucht man vergebens. Piper nutzt den Wasigenstein als Beispiel für seine allgemeinen Betrachtungen bzgl. des Buckelquadermauerwerks, bzw. für die Art der Wasserversorgung auf Burgen und Burgfriedensvertäge auf Ganerbenburgen. Letzteres wird für den Wasigenstein ausführlich behandelt. Salch beschreibt in seinem Dictionnaire den Wasigenstein relativ ausführlich; er geht - für ihn typisch - fast ausschließlich auf die Geschichte ein. Bei Lehmann's 13 Burgen des Unterelsaß findet man die Geschichte der Burg auf den Seiten 196-215 umfassend beleuchtet. Die von Lehmann erarbeitete Historie der Burg gilt in weiten Teilen auch heute noch als Stand der Forschung. Das Datum der ersten Erwähnung von Burgherren des Namens Wasigenstein wurde inzwischen von Biller und Müller von 1272 auf 1270 korrigiert.

Lediglich kurze Erwähnung findet die Burganlage jeweils in Hotz' Handbuch der Kunstdenkmäler in Elsaß-Lothringen, sowie in seinem Buch über die Pfalzen und Burgen der Stauferzeit und in Wurch's Burgenfahrten im Elsaß, Wasgau und Queichgau. Ersterer ist noch interessant für die Datierung der Burganlage. Er legt die Erbauung des kleinen, jüngeren Vorderwasigensteins in die Mitte des 13ten Jahrhunderts.

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Abb. 3:Ansicht der Schildmauer des Neuwasigensteins vom Altwasigenstein aus. Foto des Verfassers, 1992

Außerdem wird die Burg bei Trendel/Ulrich, Châteaux des Vosges, auf den Seiten 75-79 bearbeitet. Die beiden führen die Linie der Familie von Wasigenstein in das Jahr 1255 auf den Marschall von Hagenau Engelhardt zurück. Einen Bezug zur Gründung der Burg wird nicht hergestellt. Zu den Bauten auf dem Wasigenstein wird nichts geschrieben.

Bei Keddigkeit ist - dem Konzept des Buchs folgend - eine Luftaufnahme des Wasigensteins zu finden. Die Geschichte der Burg wird recht ausführlich geschildert, Keddigkeit folgt weitgehend der Arbeit Lehmanns und datiert die Anfänge der älteren Burg ebenfalls in die zweite Hälfte des 13ten Jahrhunderts, bzw. an das Ende desselben Jahrhunderts für den neuen Wasigenstein. Er belegt das auch stilistisch, wobei er sich, wie im übrigen auch, eng an Biller anlehnt. Die ergänzenden Ausführungen Müllers können Keddigkeit aufgrund des späteren Erscheinungsdatums nicht bekannt gewesen sein.

Darüber hinaus findet die Burg in einigen mehr touristisch orientierten Werken Erwähnung, wobei das Taschenbuch »Vom Trifels zum Hambacher Schloß« von Bartsch und Bieker und das Buch »Burgruinen der Nordvogesen« von Mandel auffällig sind. In beiden Arbeiten wird - ohne nähere Erläuterung und ohne Nachweise - die Burg als Reichslehen aus dem 12ten Jahrhundert erwähnt(3). In dem Burgenführer des Vogesenclubs wird die Familie von Wasigenstein in direkte Verbindung zu dem Reichsmarschall Wolfram von Hagenau, der dort zwischen 1166 und 1192 nachweisbar sein soll, gebracht. Eine eindeutige Datierung der Burggründung in das 12te Jahrhundert unterbleibt allerdings, das Werk bleibt insgesamt oberflächlich. Greder (A la découverte des Châteaux Forts d'Alsace), der sich überwiegend an Salch und an den Vogesenführer anlehnt, weicht hier vom letzteren ab und nennt ebenfalls die von Lehmann übernommene Jahreszahl 1272 als erste Erwähnung. Die Geschichte und auch die Baubeschreibung der Anlage hält Greder gewohnt knapp, allerdings beschreibt er als einer der wenigen die interessante Felsausarbeitung im Westen der Gesamtanlage und interpretiert sie als Standort eines großen Hebekrans. Die Beschreibung der Burg in Brauns Burgenrundgängen ist zu knapp, als daß sie hier eine Erwähnung verdient hätte. Das gleiche gilt für die pfälzische Burgenliste von Avenarius. Erwähnenswert ist hier lediglich die erneute Datierung der Gründungsanlage in das 12te Jahrhundert.

Als neuere, rein wissenschaftlich angelegte Bücher wären »Die BurgengruppeWindstein« von Thomas Biller und »Die Herren von Fleckenstein im späten Mittelalter« von Peter Müller zu nennen. Beide haben als Schwerpunkt ihrer Arbeit nicht den Wasigenstein, doch wird er aus inhaltlichen Gründen dort historisch sehr gründlich betrachtet. Von beiden Autoren stammen, neben Lehmann, dann auch die sorgfältigsten und dem heutigen Forschungsstand entsprechenden Datierungsansätze.

Letztendlich wird die Burg auch in dem nicht veröffentlichen Buch »Felsenburgen im Wasgau«(4) des Autors dieser Arbeit behandelt.

Geschichte der Burg

Einige Autoren berichten von einer Gründungsanlage aus dem 12ten Jahrhundert, als die Burg als Reichsfeste errichtet worden sein soll. Belegbar anhand aufgefundener Urkunden ist diese Behauptung nicht(siehe auch 3).

Eine erste sichere Erwähnung hingegen gab es erst im Jahre 1270, als die Brüder Seman und Friedrich von Wasigenstein in einer Urkunde die Schenkung eines Weihers an die Abtei Marienthal bestätigten(5). Vater der beiden ist der Reichsministeriale Engelhard, Marschall von Hagenau. Biller erläutert, daß dieser sich stets nach der Stadt, hingegen nie nach der Burg benannte(6). Er folgert daraus, daß die Burg nicht lange vor 1270 gegründet worden sein kann. Friedrich von Wasigenstein fand noch einmal 1274 als Bürge in einer Urkunde Erwähnung. 1276 begleitete derselbe Friedrich König Rudolf auf einem Feldzug gegen den Böhmenkönig Ottokar. 1278 wurde er, reichlich entlohnt, aus dessen Diensten entlassen. Die Brüder Seman und Friedrich erschienen noch einmal in der Geschichte, als sie sich 1291 für Heinrich von Windstein verwendeten, um diesen aus lothringischer Haft zu befreien(7).

Wie Müller erläutert, war die Burg de facto Allod, also Eigenbesitz der Wasigensteiner bzw. derer Rechtsnachfolger(8), wenn auch in einer Hinterlassenschaftsurkunde des 1359 verstorbenen Kunz von Wasigenstein Reichsrechte an der Burg aufgeführt werden.

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Abb. 4: Blick von der Unterburg auf den Neuwasigensteiner Burgfelsen. Foto des Verfassers, 1992

In der Folgezeit vergrößerte sich die Wasigensteiner Familie, und so kam es um das Jahr 1299, wahrscheinlich kurz davor, unter den Söhnen Friedrichs - Dietrich, Engelhart und Fritzmann - und dem Sohn Semans - Fritzmann - zu einer Erweiterung der Burganlage. Auf dem unteren Felssockel der Gesamtanlage entstand der Wohnturm, die Burg Neuwasigenstein. Es handelt sich also um eine Erweiterung aus familiären Gründen, wie es z.B. auch bei der Burg Altdahn im nördlichen Wasgau der Fall war. Aus eben dem Jahr (27.01.1299) existiert ein Einigungsvertrag, der das Zusammenleben in der Burganlage regelte(9). Fritzmann I. von Wasigenstein, der älteste Sohn Semans, verzichtete auf seinen Teil an der alten Burganlage nebst Zisterne, Felsen und Gräben, dafür wurde ihm das Nutzungsrecht der gemeinsamen Toranlage und des unteren Burgfelsens zugesichert. Außerdem verpflichtete er sich, den oberen Burgfelsen nicht durch Grabungsarbeiten baulich zu verändern oder seinen Wohnturm so aufzustocken, daß er über den Turm der oberen Burg aufragen würde. An dieser Stelle sei auch der Irrtum u.a. Wolffs angesprochen, der vielfach erwähnte Name »Oberer Wasigenstein« beziehe sich auf eine dritte, weiter oberhalb, also jenseits des Halsgrabens gelegene, Burganlage. Wolff knüpft sogar noch eine Verbindung zu dem 1,2 km weit entfernten Zigeunerfelsen, von dem allgemein angenommen wird, daß es sich dabei um eine Wasigensteinsche Burganlage handelt. Tatsächlich gilt, daß für die beiden Burganlagen Neu- und Altwasigenstein noch weitere Namen gebräuchlich waren. So erscheint der Altwasigenstein auch als Großwasigenstein, Hinter-Wasigenstein und eben auch Oberer Wasigenstein, entsprechend der Neuwasigenstein auch als Kleinwasigenstein, Vorder-Wasigenstein oder Unterer Wasigenstein. Eine separate obere Burg östlich des Halsgrabens wird es also nie gegeben haben(10).

Nach 1317 geht die Gesamtanlage in den Besitz der Nachkommen des Friedrich von Wasigenstein über. Um 1335 begannen die Brüder Konrad (Kunz?), Fritzmann II. und Dietrich von Wasigenstein und deren Verwandte damit, ihren Erwerbszweig auf die Wegelagerei zu verlegen, worauf sie wegen der Gefangensetzung eines Kaufmanns Schwierigkeiten mit den Kommissaren des Elsäßer Landfriedens bekamen. Aus dieser Zeit stammt auch die Erstnennung der Wasigensteiner Burg Klein-Arnsberg, die während der darauf folgenden Auseinandersetzung mit dem Elsäßer Landfriedenskommissar zerstört wurde.

Schon 1359 erlosch mit Kunz (Konrad?) von Wasigenstein das Geschlecht und es traten mit den Schwiegersöhnen Wirich I. Puller von Hohenburg (Ehemann der Euphemia von Wasigenstein) und Heinrich I. von Fleckenstein (Ehemann der Katharina von Wasigenstein) zwei bekannte Nachbarn als Erben auf. Der erste nahm den kleineren Neuwasigenstein, der zweite Altwasigenstein in seinen Besitz. Über die Mitgift von Katharina von Wasigenstein an Heinrich von Fleckenstein gibt es eine Urkunde der Mutter Katharinas, Katharina von Hüneburg, aus dem Jahre 1367 (11). Diese Besitzverhältnisse hatten in etwa hundert Jahre Bestand, allerdings gaben die beiden Parteien Teile der Burg als Unterlehen an Schwiegersöhne weiter(12). Der Wasigenstein wurde so Ganerbenburg, Anteilseigner wurden u.a. die Frönsburger, die Altdorfer, die Windsteiner, die Ochsensteiner und die Kropfberger. Ludwig von Frönsburg übergab 1369 ein Viertel seiner Hälfte an der Burg an Simon Wecker von Zweibrücken-Bitsch, um dieses Viertel danach wieder als Lehen aufgetragen zu bekommen(13). Als Werner von Ramberg 1372 Else von Fleckenstein heiratete, gelangte ein Teil der Burg in seinen Besitz. Wurde dieser 1385 noch unter den Gemeinern genannt, so verlor er seine Anteile 1391 nach Belagerung und Haft an die Brüder Rudolf und Ottmann von Ochsenstein(14).

Vom Anfang des 15ten Jahrhunderts sind einige Burgverträge erhalten, so von 1414 ein Burgfriedensvertrag zwischen Heinrich, Heinrich dem Älteren, sowie Heinrich dem Jüngeren von Fleckenstein und Kunz Mauchenheimer von Zweibrücken, die allesamt Gemeiner der Burg waren. Ein Erbschaftsvertrag, in dem über die Waffenübergabe lediglich an männliche Nachkommen beschieden wurde, existiert aus dem Jahre 1425 zwischen Heinrich dem Älteren von Fleckenstein und seiner Frau Petrissa von Helmstatt(15).

In der Folgezeit wurde der Wasigenstein mehrfach belagert und erobert, so 1435 durch Ludwig von Lichtenberg in einer Fehde mit Eberhard von Sickingen, der durch Heirat mit Anna von Fleckenstein in den Besitz eines Teils des Wasigensteins gelangt war. Auch im Jahre 1447 wurde die Burg durch gewaltsame Handlungen in Mitleidenschaft gezogen, nähere Informationen sind in den Urkunden dazu nicht zu finden(16).

Die Burg Neuwasigenstein, so scheint es, hatten während dessen stets die Hohenburger in ihrem Besitz. Im Jahre 1455 dann verlor Richard von Hohenburg die Burg Neuwasigenstein in einer Fehde mit dem Kurfürsten Friedrich dem Siegreichen von der Pfalz, der die Burg seinem Freund Mathias von Speyer übergab, der seinerseits diese als Lehen an die Fleckensteiner weitergab(17).

Obschon in der Folgezeit einige Anteilseigner genannt wurden, so die Lichtenberger und nach deren Aussterben die Grafen von Zweibrücken-Bitsch, übergab Friedrich von der Pfalz letztendlich die Gesamtanlage an die Fleckensteiner(18), was man einer kurzen Erwähnung aus dem Jahre 1505 entnehmen kann. Zu diesem Zeitpunkt muß die untere Burg Wasigenstein bereits zerstört oder zumindest beschädigt gewesen sein. Aus dem Jahre 1520 gibt es eine Erwähnung, die besagt, daß die Fleckensteiner im Besitz beider Burgen Wasigenstein und der Dörfer Niederbronn und Pfaffenbronn waren. Im Jahre 1606 werden die beiden Schlösser oder Häuser Wasigenstein als zerbrochen bezeichnet(19). Inwiefern Lehmanns Vermutungen, die Burgen seien im Dreißigjährigen Krieg und auch im Pfälzer Erbfolgekrieg verwüstet und zerstört worden, zutreffen, sei dahingestellt (20). Zumindest waren in dieser Zeit noch immer die Fleckensteiner Eigentümer der Burg. Diese verkauften die Ruine samt der übrigen, zugehörigen Güter 1711 an die Grafen von Hanau-Lichtenberg, die zur gleichen Zeit Besitzer der Burg Blumenstein in unmittelbarer Nachbarschaft waren.

In der Folgezeit verfiel der Wasigenstein immer weiter. 1878 wurde der Wasigenstein als klassisches Monument eingestuft und kam in den Besitz des Staates.

An dieser Stelle sei erwähnt, daß es in unmittelbarer Nähe des Wasigensteins weitere Burgen in Wasigensteiner Besitz gab. So war die Burg Klein-Arnsberg ursprüngliche eine Wasigensteiner Gründungsanlage aus der Zeit um 1300. Das gleiche wird von den Burgresten, die heute den Namen Zigeunerfelsen führen, vermutet(21).

Die Bauten auf dem Wasigenstein

Hinweise auf Abbildungen werden über die Nummer der Abbildung und die Nummer des Details geführt, z.B. (5.3) bedeutet Abbildung 5, Detail 3.

Gesamtlage. Die Burggesamtanlage liegt, wie bereits erwähnt, auf einem langen Felsenriff, das durch eine tiefe, enge Felsspalte (5.13) in zwei etwa gleich große Teile getrennt wird. Auf dem westlichen, kleineren, etwas tiefer gelegenen Felsenriff liegt die neuere Burg Wasigenstein (5.B). Altwasigenstein (5.A) ist auf dem östlichen, größeren Felsenriff gelegen. Beide Burgen werden unter dem Namen Wasigenstein zusammengefaßt. Die Gesamtanlage hat eine Länge von etwa 125m, dabei entfallen auf den Altwasigenstein ca. 46m und auf den Neuwasigenstein etwa 44m. Während der östliche Felsen von Altwasigenstein komplett bebaut ist, nimmt der Wohnturm des Neuwasigensteins lediglich etwa 16m seines Felsens ein. Hier auf dem unteren Felsenriff sind die Gebäudereste durchweg besser erhalten.

Grundriß - Zum Vollbild anklicken
Abb. 5: Grundriß Burg Wasigenstein: Maßgerechte Aufnahme des Verfassers von 1992

A -Alt-Wasigenstein - B - Neuwasigenstein
1- Halsgraben, 2 - Zugang zur Unterburg, südlich Reste einesMauerschalenturms, 3 - Mantelmauer um den fünfeckigen Bergfried auf der Oberburg, 4 - Bergfried, 5 - ehemaliger Zugang zur Oberburg Altwasigenstein (Felsentreppe und Felsenpforte), 6 - Felsenkammer und -grube am ehemaligen Oberburgzugang, 7 - Mauerrest Wohnbau Altwasigenstein, 8 - Felsenkammer mit Stützsäule, 9 - Zisterne mit rundem Schacht, 10 - Schildmauer mit Wendeltreppe, 11 - Felsentreppe zum Altwasigenstein, 12 - Zugang (verbarrikadierbar) zur Oberburg Altwasigenstein, 13 - Felsspalt (bearbeitet und geglättet) zwischen Alt- und Neuwasigenstein, 14 - Schildmauer Neuwasigenstein, 15 - Wohnturm, 16 - Zisterne Neuwasigenstein, 17 - Felsenkammer, 18 - Zugangstreppe zum Wohnturm, 19 - Felsplateau westlich vom Wohnturm, 20 - Unterburg, 21 - Felsabarbeitungen und -kammern in der westlichen Unterburg, 22 - überdeckter Felsgang zum Plateau, 23 - Reste der westlichen Ringmauer der Unterburg, 24 - Standort eines Hebekrans oder einer ähnlichen Vorrichtung aus Holz.

Halsgraben. Im Osten ist die Gesamtburganlage durch einen Halsgraben (5.1), der eine Zisterne und eine Tränke aufweist, vom ansteigenden Berghang getrennt. Die Wände des Halsgrabens sind sorgsam geglättet. Die Ostwand weist die von Piper erwähnten Rinnen, die Regenwasser in die Zisterne leiten sollten, auf. Der Halsgraben hat eine Breite von etwa 10m. Westlich über dem Halsgraben erhebt sich steil der Burgfelsen von Altwasigenstein. Oben auf dem Felsen erblickt man die Reste des fünfeckigen Bergfrieds (5.4), davor die Reste einer zugehörigen Mantelmauer (5.3).

Unterburg und Zugänge. Hier im Osten, am Ende des Halsgrabens, befand sich ein Tor zur Unterburg (5.20), das durch einen nur noch in der Basis erhaltenen Rundturm (5.2) geschützt wurde. Ein Weg führt an der Südseite der Felsen entlang weiter nach unten. Der Raum für die Unterburg (5.20) war hier südlich vom Altwasigenstein sehr begrenzt. Der steile Berghang erschwerte die Bebauung zusätzlich. Aus diesem Grund findet man auch tatsächlich nur geringe Spuren von Mauerwerksauflagern, die eher zu einer die Unterburg im Süden umschließenden Ringmauer gehört haben mögen. Weiter unterhalb im Westen, also südlich des Neuwasigensteiner Burgfelsens, ist der bebaubare Raum weiter und folgerichtig findet man hier aus dem Felsen herausgehauene Wände und Teilkammern (5.21), die auf eine Bebauung der Unterburg schließen lassen. Auch dieser Teil der Unterburg war von einer Ringmauer umgeben, wie Reste (5.23) einer solchen im Südwesten der Anlage beweisen.

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Abb. 6: Schnitt durch den Wasigenstein von West nach Ost bei a-b im obigen Grundriß, maßgerechte Zeichnung des Verfassers, 1992

An der südlichen Langseite des Altwasigensteins befand sich früher, realisiert über eine Felsentreppe, ein ursprünglicher Zugang (5.5) zur Oberburg desselben. Die Felsentreppe mündet vor einem Felsentor mit dahinterliegender Felsenkammer. Dahinter führt ein sanft ansteigender Felsgang in westlicher Richtung ein kurzes Stück auf die Oberburg zu, um in einer übermannshohen, aus dem Felsen herausgemeißelten Felsengrube zu enden (siehe Abbildungen 6 und 8). Der Zugang war dadurch mehrfach gesichert.

Heutzutage ist die Anlage über diese Felsentreppe (5.5) nicht zugänglich. Man muß zu diesem Zweck in der Unterburg weiter nach Westen gehen. Eine Treppe (5.11), an und in den Felsen gehauen, führt zum unteren Zugang der Burg Altwasigenstein. Die Treppe mündet auf einem kleinen Absatz (bei 5.12) und in genau gegenläufiger Richtung führt eine weitere sehr steile, sowie lange Treppe (5.12) zur Oberburg (5.A) hinauf. Die Treppe ist rechts und links von Felswänden eingefaßt und zahllose Balkenlöcher belegen, daß die Treppe zum einen überbaut und zum anderen durch ein Tor zu sperren war (Balkenloch für einen Sperriegel). Die zeitliche Abfolge für beide Zugänge muß Spekulation bleiben.

Ob der östliche, zuerst beschriebene Zugang zeitlich der erste war und der untere ablösend nachträglich eingerichtet wurde oder umgekehrt, ob beide auch gleichzeitig genutzt wurden, ist nicht mehr nachzuvollziehen.

Der Zugang (5.18) zum Neuwasigenstein wird weiter unten beschrieben.

Schildmauer Altwasigenstein. Die Oberburg hat gemäß des Felsens einen länglichen Grundriß. Ist man die Felsentreppe ganz hinauf gestiegen und steht in der Oberburg, so hat man im Rücken, also im Westen, die Reste eines turmartigen Baus mit eingefügter Wendeltreppe, den ich als Schildmauer (5.10) bezeichen möchte. Diese Schildmauer ist der unteren Burg entgegengewandt. Ähnliches (5.14) findet sich auch auf der unteren Burg, was nicht weiter verwundern darf, da ja die Burgen unterschiedliche Besitzer hatten. Der oben beschriebene, obere Teil der Zugangstreppe zur Oberburg ist in die Schildmauer südlich eingebaut. Diese strategisch gut gewählte Anordnung ermöglichte den wirkungsvollen Beschuß eindringender Feinde von der Schildmauer aus. Hier an der Schildmauer hat der Burgfelsen eine Höhe von 26,50m bis zur Waldsohle.

Querschnitt Altwasigenstein - Anklicken zum Vollbild Anklicken zum Vergrößern
Abb. 7: Schematischer Querschnitt durch Altwasigenstein, vor der Schildmauer, Aufnahme ohne Messung. Zeichnung des Verfassers

Wohnbauten, Zisterne und Felsenkammer. Östlich von der Schildmauer befindet sich eine rechteckige Vertiefung im Boden. Diese Grube (5.9) ist mit Schutt gefüllt und mit Pflanzen überwuchert. In der Mitte dieser Vertiefung sieht man einen runden, ebenfalls verschütteten Schacht von geringem Durchmesser, zweifellos der Burgbrunnen oder die Zisterne. Für letzteres spricht der geringe Durchmesser des Schachts, da für die nötige Tiefe eines Brunnens, der ja durch den gesamten Felsen hätte gegraben werden müssen, eine wesentlich weitere Öffnung nötig gewesen wäre. Ob es sich bei der Anlage nun um einen Kellerraum mit einfacher Zisterne, oder aber um eine Zisterne mit Filtrieranlage, wie man sie vom Daubenschlagfelsen oder noch besser von den Burgen Grafendahn/Dahn (Wasgau) oder Ochsenstein/Zabern (Elsaß) her kennt, ist unklar und erst nach Grabungen oder zumindest Freilegung exakt zu bestimmen.

Neben der Zisterne führt eine Treppe hinab in eine übermannshohe Felsenkammer (5.8) mit der beträchtlichen Länge von 12,40m. Die ersten, also westlichen, 5,20m der Kammer sind vom Fels überdacht, es folgt ein schmaler Spalt, durch den heute über eine Leiter der Zugang zum darübergelegenen Oberburgniveau ermöglicht wird. Danach ist die Kammer wieder vom Fels überdeckt, wobei dieser Teil der Decke von einer beim Heraushauen stehengelassenen Felsensäule getragen wird. Dieser Pfeiler ist von einer ähnlichen Art, wie man ihn auch auf den Burgen Altdahn, Berwartstein und Fleckenstein, also weiteren Felsenburgen des Wasgaus, finden kann. Die Verwandtschaften der Felsenburgen untereinander sind hier unverkennbar. Interessanterweise wurde in die Felssäule eine kleine Nische gehauen. Offenbar nutzten die Bewohner diese Nische als kleines Vorratskästchen. Die Art der Aufteilung der Felsenkammer und nicht zuletzt die Nische sprechen dafür, daß man hier die Burgküche zu suchen hat. Während die Nordwand der Felsenkammer durch den anstehenden Felsen gebildet wird, war die Südseite ehedem durch eine Buckelquadermauer geschlossen.

Der Raum über der Felsenkammer und der Abschnitt zwischen Felsenkammer und sich östlich anschließendem Bergfried wurde als Wohnbau genutzt. Ob dieser nun den Namen Palas, wie bei Wolff und Hotz, oder Wohnturm, wie etwa bei Piper, verdient, ist wegen der spärlichen Reste - lediglich die Nord- (5.7, in Übermannshöhe erhalten) und Südbegrenzung des Burgfelsens in Form eines Mauerstumpfes ist jeweils erhalten - nicht mehr zu klären. Allemal interessant ist die Tatsache, daß der gesamte Felsboden zahlreiche Balkennuten von etwa 15cm Stärke in einem Abstand von etwa 80cm quer über den Burgfelsen aufweist. Offensichtlich hatte der Wohnbau über das gesamte Untergeschoß einen Holzdielenboden, der auf diese Weise verankert war.

Bergfried und Mantelmauer. Im Osten schließt die Burg mit einem fünfeckigen Bergfried ab. Der Bergfried (5.4) ist überwiegend aus großen, sorgfältig gearbeiteten Buckelquadern errichtet. Er stellt den ältesten erhaltenen Teil der Gesamtanlage dar. Sein Konzept, fünfeckig, mit der Spitze zur Angriffsseite, und eine vorgelagerte Mantelmauer (5.3) zum Schutz des Bergfrieds, ist fortgeschritten entwickelt und wäre in der Pfalz und im Elsaß vor 1200 undenkbar(22). Eine Entwicklung zum fünfeckigen Frontturm beginnt in dieser Region mit den noch viereckigen, über Eck gestellten Bergfrieden der Burgen Landsberg und Groß-Arnsberg um 1200. Allmählich entwickelt sich dieses Konzept im ersten Viertel des 12ten Jahrhunderts mit den Burgen Herrenstein, Lützelstein, Bernstein, Girsberg, alle Elsaß und Hohenecken(23), sowie Gräfenstein(24), alle Pfälzer Wald. Das beim Wasigenstein vorliegende entwickelte und rein als Defensivbau anzusehende Konzept eines Bergfrieds findet erst Parallelen bei den Burgen Ortenberg (Elsaß, um 1262), Birkenfels (Elsaß, um 1260), Wineck (Wasgau, vor 1250) und Schöneck (Wasgau, erste Hälfte 13tes Jhdt.). Auch spätere Bergfriedbauten folgen eben diesem Konzept, z.B. etwa Wangenburg (Elsaß, 14tes Jahrhundert) und Altwindstein-Nordanlage (Wasgau, nach Müller nicht vor 1280, nach Biller nicht vor 1332).

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Abb. 8: Schematischer Querschnitt durch Altwasigenstein vor dem Bergfried. Aufnahme ohne Messung. Zeichnung des Verfassers

Aus alle dem läßt sich folgern, daß Bergfried und Burg nicht wesentlich vor 1250 entstanden sein können. Die von Biller aufgestellte These, daß die Burg kurz vor 1270 erbaut wurde, belegt durch den Stil und die Form des Bergfrieds, erscheint am wahrscheinlichsten.

Die rein viereckige Rückpartie des Bergfrieds (siehe dazu Abbildung 9) ist nahezu quadratisch: je 5m Kantenlänge im Norden und Süden gegen 5,10m Kantenlänge im Westen. Dieser Rückpartie ist eine Spitze vorgelagert, die durch eine 3,90m lange Mauerkante im Nordosten und eine 3m lange im Südosten gebildet wurde. Durch dieses ungleiche Verhältnis liegt die Spitze nicht in der Mittelachse des Bergfrieds sondern etwas in Richtung Süden verrückt. Dieser Umstand läßt sich sicher nicht durch topologische oder technische Gegegenheiten begründen. Vielmehr wendet sich die Spitze bewußt mehr gegen die gefährdetere Seite, also dort wo der Zugang zur Unterburg und der Burgweg zu finden sind. Dieser Umstand wird noch durch die unterschiedliche Mauerstärke des Bergfrieds unterstrichen. Während diese im Westen und Norden 1,50m beträgt, liegt dieser Wert im Süden bei 2m. Insgesamt ergibt sich für den Bergfried eine Länge von etwas über 7m in Ost-West-Richtung.

Maßgerechtes Aufmaß des Bergfrieds
Abb. 9: Ansichten und Grundrisse des Bergfrieds Altwasigenstein, Maßgerechte Zeichnung des Verfassers

Der Innenraum des Bergfrieds hat mit den Seitenlängen 1,50m x 2,50m eine Fläche von 3,75m2. Der Bergfried war also eindeutig unbewohnbar.

Der Bergfried ist heute nur noch in etwa 13m Höhe(25) erhalten (siehe Abbildungen 8 und 9). Die Westwand fehlt fast vollständig, die Nord- und die Südwand erhebt sich nur noch bis zu maximal 2,50m. Lediglich die massivste Ostwand erreicht die oben genannte Höhe. Die Einteilung der untersten beiden Geschosse ist noch erkennbar. Das untere erreichte eine Höhe von 4,30m, das zweite eine von 2,80m. Ob in diesem Geschoß der Bergfriedeinstieg, der mit Sicherheit nur im Westen gelegen haben kann, zu finden war, ist wegen des Fehlens dieser Mauer nicht mehr zu klären, aber wahrscheinlich.

Höhenmessung - Anklicken für Vollbild Anklicken zum Vergrößern
Abb. 10: Bergfries Altwasigenstein von Westen, eine Methode der Höhenmessung. Foto des Verfassers, 1992

Oberhalb des zweiten Geschosses ist nach Westen hin nur noch das Füllmauerwerk vorhanden, während das Geschoßinnere jeweils von großen, glatten Quadern gebildet wird. Die Decken der Geschosse ruhten ehedem auf Kragsteinen, bzw. Konsolen.

Während die Nord-, West- und Südwand des Bergfrieds überwiegend große, qualitativ hochwertige, überarbeitete Buckelquader aufweisen, gilt dies nicht so umfassend für die nach Osten gerichtete Spitze. Während die Südostwand streckenweise (überwiegend im mittleren Teil) glatte Quader aufweist, beginnt bei der Nordostwand, die ebenfalls qualitativ hochwertige Quader besitzt, das Buckelquadermauerwerk erst weiter oberhalb in mehrfacher Mannshöhe (siehe Abbildung 9, ganz rechts). Darunter ist das Mauerwerk besonders regelmäßig, von besonderer Qualität und besonders glatt. Außerdem weist die Mauer die Besonderheit auf, daß in etwa 2,20m Höhe zwei nach unten halbrunde Konsolsteine aus dem Steinverband herausragen (siehe Abbildung 9, oben links, unten rechts). Der äußere Abstand zwischen den Konsolen beträgt rund 1,40m. Zur Erklärung dieses Erscheinungsbilds muß man die östlich vor der Bergfriedspitze vorgelagerte Mantelmauer (5.3) mit in Betracht ziehen. Die heute nur in wenigen Dezimetern Höhe erhaltene Mauer umzog früher sicherlich in größerer Höhe die Osthälfte des Bergfrieds nahezu vollständig und deckte dabei denselben. Der Abstand zwischen Bergfried und Mantelmauer beträgt im Mittel etwa 3m. Das Vorhandensein der Konsolsteine genau hier zwischen diesen Bauteilen spricht für eine Verstärkung der aktiven Verteidung durch hölzerne Wehrgänge eben zwischen Mantelmauer und Bergfried, die den Schuß oder Wurf über oder durch die Mantelmauer erlaubten. Die oben genannten, glatten Quader sprechen im übrigen ebenfalls dafür. Buckelquader hätten die Verteidiger auf den Wehrgängen beim Umherlaufen behindert. Ähnliches ist auch beim siebeneckigen Bergfried und der Mantelmauer von Burg Gräfenstein/Merzalben (Pfälzer Wald) zu beobachten. Möglicherweise hat man sich das Konzept auch ähnlich wie bei Burg Ortenberg/Scherwiller (Elsaß) vorzustellen. Dort befanden sich Wehrgänge zwischen Bergfried und Mantelmauer über mehrere Etagen, so daß der Schuß nicht über, sondern gedeckt durch die Mantelmauer erfolgte. Allerdings muß diese Idee Spekulation bleiben, die hier aufgeführten Sachbestände können allenfalls rudimentäre Beweise bleiben.

Ob der Bergfried jemals höher war, als heute erhalten, muß offen bleiben. Die gesamte Topologie des Bauplatzes (also Burgfelsen, Halsgraben und der darüber liegende Bergsporn) und der Vergleich mit den Bergfrieden der anderen Felsenburgen der Umgebung sprechen dafür, daß der Bergfried des Altwasigensteins ursprünglich nicht sehr viel höher war als die heutigen ca. 13m. Allenfalls eine Höhe von vielleicht 18m möchte ich für möglich halten.

Zugang Neuwasigenstein. Wieder in der Unterburg, führen mehrere Felsentreppen weiter bergab zum Neuwasigenstein (5.B). Der Burgfelsen dieser unteren Burg ist schräg von Westen nach Osten hin ansteigend. Eine Treppe (5.22 und 11.6), die teilweise durch den Felsen geschrotet ist, führt zu einem Absatz (5.19), der der Burg westlich vorgelagert ist. Spuren einer wahrscheinlichen Bebauung findet man dort heute nicht. Von hier führt eine steile Felsentreppe in östlicher Richtung zum Eingangstor (5.18) des Wohnturms, der sich im Osten auf dem unteren Burgfelsen erhebt.

Wohnturm Neuwasigenstein. Die Oberburg besteht nur aus dem länglich polygonalen Wohnturm (5.15). Der Stil des Wohnturms ist ausgeprägt frühgotisch, die Ausführung ist qualitativ hochwertig, besonders das Buckelquadermauerwerk ist bis auf den heutigen Tag von ausgezeichneter Qualität. Man war bei der Vermauerung bemüht, die Steinschichten gleich hoch zu halten, die Verfugung ist besonders aufwendig. Bei den Erbauern kann es sich unmöglich um niederen, oder zumindest ärmeren Adel gehandelt haben. Ein solcher Bau muß unbedingt seinen Preis gehabt haben!

Abb. 11: Schematischer Querschnitt durch den Wohnturm von Neuwasigenstein, Zeichnung des Verfassers ohne Messung, 1992

Stiegenhaus und Felsenkammern. Die unteren, westlichen Teile, also Tor, Eingangshalle, Treppen, Aufgänge und eine Felsenkammer, wurden aus dem Felsen herausgehauen. Die oberen Teile sind aufgemauert. Dieser Teil des Wohnturms mit dem Eingangsbereich ist sehr eng und bietet keinen Raum zum Wohnen. Man muß hier von der Funktion eines Stiegenhauses ausgehen.

Von dem komplett in den Felsen eingelassenen Tor führt eine Felsentreppe hinauf zu einem ersten Podest, etwa 3,60m über dem Eingangsniveau. Dahinter liegt eine aus dem Felsen geschrotete, etwa 5,50m tief in den Felsen reichende Kammer (5.17). Eine Stufe führt hinab in den Raum, der durch ein einfaches, kleines, rechteckiges Fenster in der südlichen Felswand spärlich beleuchtet wird.

Eine weitere Felsentreppe führt weiter nach oben auf ein zweites Podest (heute gebildet durch einen Stahlboden). Hier weisen alle drei Wände (Nord-, West- und Südwand) je ein schmales, gotisches Spitzbogenfenster in einer flachbogig überwölbten Nische auf. Zum Teil besitzen die Nischen einseitige, steinerne Sitzbänke.

Gegenüber des Podests wurden zwei weitere Aushöhlungen aus dem östlich anstehenden Felsen herausgehauen (siehe Abbildungen 11 und 12). Zu klein für eine begehbare Felsenkammer, möchte ich die beiden übereinander liegenden Nischen am ehesten für Vorratsräume halten. Eine Stahltreppe führt heute auf das erste, große Wohngeschoß des Wohnturms. Dazwischen gibt es ein erstes, großes Fenster in der Südwand des Wohnturms, folgerichtig muß es über dem Podest mit den drei schmalen gotischen Fenstern und unterhalb des ersten großen Wohngeschoß ein kleines, bewohnbares Zwischengeschoß gegeben haben. Konsolsteine in der inneren Nordwest- und Südwestecke des Stiegenhaus zeigen heute noch die Lage der ehedem hölzernen Zwischendecke an.

Erstes Wohngeschoß Wohnturm. Das erste große Wohngeschoß liegt etwa 11m über dem Eingangsniveau und 7,40m über dem Eingang in die große Felsenkammer. Es läßt nun die ganze bewohnbare Länge und Breite des Wohnturms erkennen. Diese Werte betragen etwa 12m in Ost-West-Richtung und maximal 4,40m in Nord-Süd-Richtung. Bei einer Mauerstärke von etwa 1,30m im Westen ergibt sich inklusive der den östlichen Abschluß bildenden Schildmauer eine äußere Gesamtlänge von über 16m.

Im Westen zeigt die Außenmauer das ehemals wohl schönste Fenster des Baus, ein gotisches Maßwerkfenster, bei dem das Oberlicht heute leider arg zerstört ist. Das Dreipaßfenster in der Spitze des Oberlichts ist noch erkennbar, die zwei wohl ehedem darunter liegenden Dreipaßfenster sind nicht mehr erhalten. Der hinter dem Fenster liegende Innenraum wird, wohl mit einiger Berechtigung, als Burgkapelle angesprochen(26).

Aufmaß Neuwasigenstein
Abb. 12: Schnitt und Grundriß von dem Wohnturm Neuwasigenstein, Maßgerechte Zeichnung des Verfassers 1992

Das Geschoß besitzt im Süden weitere zwei flachbogige Fensternischen (Abbildung 12) mit ehemals wohl vorhandenen seitlichen Sitzbänken (heute nur noch rudimentär vorhanden). Die Fenstereinsätze fehlen, Spekulationen über deren Form sind gewagt. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden auch hier gotische Spitzbogenfenster oder gar Maßwerkfenster eingesetzt gewesen sein. Die Fensternischen haben eine Breite von etwa 1,30m und eine Höhe von etwa 2,40m. Im Norden befinden sich drei Maueröffnungen in der Außenwand: zwei gleichartige Fensternischen zu denen in der Südwand und eine schmale, spitzbogige Öffnung unmittelbar in der Nordostecke des Geschosses. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier bei der letzteren um den Ausstieg zu einem Aborterker.

Im felsigen Boden des ersten Wohngeschosses wurde eine nicht sehr tiefe, etwa 3,20m im Quadrat messende Grube unmittelbar am Ostende des Wohnturminneren ausgehauen, deren Funktion unklar ist. Von der Beschaffenheit einer Zisterne ähnlich, würde eine solche hier wenig Sinn ergeben. Die Interpretation als frühzeitliche Fußbodenheizung erscheint mir hier, obgleich ähnliche Beispiel existieren (Rathsamhausen/Ottrott (Elsaß)), zu abenteuerlich.

Schildmauer Neuwasigenstein. Die Ostwand des Wohnturms wird von einem schildmauerähnlichen Bau (5.14), mit eingebauter Wendeltreppe gebildet. Der Grundriß der Schildmauer ist polygonal und sie hat eine Stärke von etwa 3m. Sie wendet sich, wie bereist oben erwähnt, gegen die obere, ältere Burganlage und erreicht dabei etwa die Höhe der Schildmauer Altwasigensteins, das sind etwa 8m über dem Niveau des ersten Wohngeschosses. In dem ersten Wohngeschoß befindet sich in der Ostwand der schmale, spitzbogige Einstieg in die Wendeltreppe und die Schildmauer, ungefähr in der Mittelachse des Wohnturms. Die Treppe führt in der Schildmauer hoch auf das Niveau des zweiten Wohngeschosses des Wohnturms. Auch hier gibt es einen gotisch-spitzbogigen Zugang eben zu dieser Wohnetage. Hier ist der Zugang jedoch etwas aus der Mittelachse nach Süden verschoben.

Die Wendeltreppe in der Schildmauer führt weiter nach oben, ist aber so stark beschädigt, daß sie nicht mehr zu nutzen ist. Hier existiert auch kein weiteres Geschoß mehr, es steht eher zu vermuten, daß die Wendeltreppe auf einer heute nicht mehr erhaltenen Wehrplattform mündete.

Zweites Wohngeschoß Wohnturm. Noch ein weiteres Geschoß über dem ersten Wohngeschoß des Wohnturms ist heute erkennbar. Die Decke zwischen erstem und zweitem Geschoß war wohl eine Holzbalkendecke, die auf noch zum Großteil vorhandenen Kragsteinen ruhte. Damit hatte das erste Wohngeschoß eine lichte Höhe von etwa 3,40m - 3,50m. Die ehemaligen Wände des zweiten Geschosses sind nur noch im Süden und ein kleines Stück an der Nordwestecke erhalten. Dementsprechend gibt es auch nur noch ein erhaltenes Fenster, nämlich am östlichen Ende in der Südwand, nicht ganz exakt über dem Fenster des ersten Geschosses. Größe und Beschaffenheit stimmen nahezu überein.

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Abb. 13: Südostecke des Wohnturminneren Neuwasigenstein, Foto des Verfassers, 1992

Etwas weiter westlich neben dem einzig erhaltenen Fenster des zweiten Geschosses fällt noch eine kleine Wandnische auf, vielleicht eine Vorratsnische oder ein geheimer "Wandsafe". Aussagen über weitere Fenster im zweiten Geschoß lassen sich wegen der geringen erhaltenen Bausubstanz nicht machen, man kann allerdings von der Existenz weiterer Fenster ausgehen.

Allem Anschein nach existierte kein weiteres Geschoß des Wohnturms. Angaben über die Gestalt des Daches lassen sich ebenfalls nicht mehr machen.

Trotz aller Unvollständigkeit gehört der Wohnturm des Neuwasigensteins ohne Zweifel zu den qualitativen Höhepunkten unter den Bauten der Wasgauer Felsenburgen. Er steht damit in einer Reihe mit dem Wohnturm des Neuwindsteins und mit dem Palas der Wasenburg (27).

Felsenausarbeitungen am Westende des Burgfelsens. Die Burg weist noch eine Eigenart auf, die von den meisten Autoren überhaupt nicht erwähnt oder fehlinterpretiert wird. Ein gutes Stück unterhalb des Westfelsens, allerdings dicht an denselben angeschmiegt entdeckt man seltsame Felsausarbeitungen. In den Berghang wurde eine rechteckige Grube (5.24) gehauen, die außerdem links und rechts drei goße Nuten in Längsrichtung aufweist: zwei innerhalb, eine weiter nordöstlich außerhalb der Grube. Während die Mehrzahl der Autoren diese seltsame Erscheinung ignorierte oder oberflächlich als Zisterne abtat, beschreibt lediglich Greder diese Anordnung als Basis eines gewaltigen Tretradkrans, der die Aufgabe hatte, Lasten vom Tal auf die Burg zu heben(28). Schaut man sich die Grube näher an und bedenkt man die steile, topologisch ungünstige Lage der Burg am Hang, so scheint dieser Interpretationsansatz durchaus logisch. Im übrigen wäre ein hölzernes, permanentes Holzrad zum Zweck des Lastenhebens hier am Wasigenstein durchaus kein Unikat für die Gegend des Wasgau. Der unmittelbar benachbarte Fleckenstein besaß ein solches in der Brunnenkammer zwecks Wasserbeförderung(29).

Der Baubestand des Neuwasigensteins paßt gut in die Zeit der ersten Erwähnung am Ende des 13ten Jahrhundert, ist aber auf keinen Fall später entstanden. Ein Bau von solch hoher Qualität im Mauerwerk wäre im Elsaß für das 14te Jahrhundert ungewöhnlich(30).

Die Sage von Walther und Hildegunde

Wie vorne angesprochen, gehört zu der Burg Wasigenstein unbedingt die Sage von dem Gefecht im Wasgenwald, die Bestandteil des Walthariliedes ist. Etwa gegen 930 schrieb der 973 verstorbene Benediktanermönch Ekkehart I. von St. Gallen dieses Ritterepos, welches inhaltlich in den Nibelungenzyklus gehört, in Romanform. Die Geschichte spielte sich etwa so ab:

Zu Zeiten der Heerfahrten des Hunnenkönigs Etzel (Attila) gerieten die Königskinder Hagen von Tronje, Sohn des Aldrian von Tronje, Walther von Aquitanien, Sohn des Königs Alpher von Aquitanien und Hildegunde von Burgund, Tochter des Königs Herrich von Burgund, als Geiseln in die Hand Etzels. Sie wurden am Königshof des Hunnenführers bestens erzogen und ausgebildet. Besonders Walther entwickelte sich zu einem besonders tapferen und starken Krieger und Schwertkämpfer.

Doch ihre Sehnsucht nach der Heimat war stets übermächtig geblieben. Als der Frankenkönig Gibich, der einst Hagen von Tronje als Geisel bestimmt hatte, gestorben war und sein Nachfolger König Gunter in Worms den fälligen Tribut an Etzel nicht mehr zahlen wollte, war die Stunde für Hagen von Tronje gekommen. Er floh vom Hofe Etzels nach Worms an den Rhein und wurde Lehensmann des Königs Gunter.

Auch Walther von Aquitanien plante seine Flucht, doch wollte er nicht ohne Hildegunde, die er inzwischen lieb gewonnen hatte, fliehen. Heimlich trafen die beiden alle Vorbereitungen für die Flucht. Sie sorgten für die nötige Ausrüstung und Waffen für Walther und vergaßen auch nicht, sich die zwei Schatztruhen voll Gold, die ihre Väter als Tribut zahlen mußten, anzueignen. Nach einer Feier, auf der Walther die Recken des Königs Etzel allesamt trunken gemacht hatte, traten die beiden Königskinder gemeinsam die Flucht an.

Nach langer Fahrt erreichten sie unversehrt den Rhein in Höhe des Odenwalds. Dort setzte ein Fährmann sie über und ihre Flucht ging weiter nach Frankreich, Richtung Chalon und Aquitanien. Dem Fährmann gaben sie zum Dank zwei besonders große, seltsame Fische, die sie unterwegs in der Donau gefangen hatten.

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Abb. 14: Wohnturm Neuwasigenstein von Westen, Foto des Verfassers, 1992

Der Fährmann verkaufte die Fische für gutes Geld an den Königshof in Worms. Als nun der habgierige König Gunter in Worms diese Fische auf seiner Tafel liegen sah, interessierte er sich für die Herkunft der beiden Fische. Der Fährmann wurde gerufen und er gab bereitwillig Auskunft über das mit Schätzen schwer beladene Paar, das Richtung Wasgenwald weitergezogen war. Anhand der Erzählung erkannte Hagen von Tronje, daß es sich bei diesem Paar nur um Walther und Hildegunde handeln konnte. Er freute sich auf ein Wiedersehen, was ihm allerdings sofort verdorben wurde, als König Gunter seinen Plan darlegte, den beiden mit einigen Recken zu folgen und sie um den Schatz zu erleichtern.

Widerwillig begleitete Hagen seinen Lehensherrn, nachdem er Gunter eindringlich vor der Stärke Walthers gewarnt hatte. Im übrigen hatte Hagen einen Traum gehabt, sein Herr wäre von einem wilden Eber schwer angefallen worden und er, Hagen, habe nur unter Verlust von einem Auge und sechs Backenzähnen seinen Herrn vor dem Tode erretten können. Doch auch diese letzte Warnung konnte Gunter nicht von seinen Plänen abbringen.

Walther und Hildegunde hatten inzwischen den Wasgenwald erreicht und machten unmittelbar am Wasigenstein Rast. Der Wasigenstein mit seinem Felsspalt eignete sich besonders gut als Raststätte, da er bequem von einem Kämpfer verteidigt werden konnte. Der müde Recke begab sich zur Ruhe und bat seine getreue Gefährtin, Wache zu halten.

Bald darauf sah Hildegunde blankes Metall durch die Zweige blinken und ängstlich weckte sie Walther, denn sie fürchtete schon, die verfolgenden Hunnen hätten sie eingeholt. Doch Walther erkannte in der Reiterschar seinen alten Freund Hagen im Kreise von fränkischen Recken. Da ihm die ganze Sache nicht recht geheuer vorkam, legte er sich seine Rüstung an, Helm, Speer, Schild, sein Langschwert und zusätzlich ein hunnisches Krummschwert. So erwartete er die Recken an der Felsspalte, die Jungfrau Hildegunde in seinem Rücken schützend.

Hagen von Tronje erkannte die äußerst günstige Position Walthers und riet seinem König, den Herold Ortwin von Metz als Unterhändler zu schicken. Unter der Bedingung, daß Walther den Goldschatz und Hildegunde als Geisel herausgeben würde, sollte er freien Abzug bekommen.

Als Ortwin von Metz dies Walther von Aquitanien mitgeteilt hatte, erwiderte jener, daß er die Bedingungen nimmer annehmen könne. Er wolle allerdings aus Höflichkeit dem König Gunter 100 Goldspangen Wegegeld aushändigen.

Als dem König Gunter diese Nachricht überbracht wurde, war er sehr ungehalten. Obwohl Hagen riet, sich mit dem Angebot Walthers zu begnügen, schickte Gunter nochmals Ortwin von Metz zu Walther, seine Forderungen zu bekräftigen. Obwohl Walther sein Angebot auf 200 Goldspangen erhöhte, konnte keine Einigung erzielt werden. Der erzürnte Ortwin von Metz schleuderte seinen Speer gegen Walther, der jedoch leicht parierte und Ortwin nach kurzem Kampf niederstreckte. Der Streit hatte begonnen.

Hagen von Tronje indes hatte sich grollend auf einen Felsklotz niedergelassen. Er sträubte sich dagegen, wider seinen Freund Walther zu streiten. Allerdings band ihn auch sein Lehenseid an König Gunter. Jener hingegen schickte seine übrigen Männer, einer nach dem anderen, zum Wasigenstein, wo Walther die Felsspalte geschickt verteidigte. Mehr als zwei Männer konnten dort nicht gleichzeitig kämpfen. So verloren nacheinander die fränkischen Recken Skaramund, ein Neffe Ortwins von Metz, Werinhard von Santen, der Sachse Eckefried und der Franke Hadwart im Zweikampf mit Walther ihr Leben.

Nun machte sich Patafried, ein Neffe Hagens, für den Kampf fertig. Hagen erschrak und bat seinen Verwandten inständig, vom Kampf abzulassen, da er mit dem sicheren Tod Patafrieds enden würde. Doch die Bitten Hagens waren vergeblich, ungestüm zog Patafried in den Streit. Gern hätte Walther den Neffen Hagens geschont, doch jener drang so trotzig auf ihn ein, daß Walther sich energisch zur Wehr setzen mußte. Nach kurzem Kampf lag Patafried niedergestreckt am Boden. Dem Neffen Hagens folgten Gerwig, Randolf und Helmnot in den Tod. Schrecklich hatten sich die Reihen der Franken gelichtet. Schließlich blieben nur noch Hagen und Gunter am Leben.

Gunter drang nun in Hagen, seiner letzten Hoffnung, den Kampf mit Walther aufzunehmen. Doch dieser lehnte unter Hinweis auf seine alte Freundschaft mit Walther ab. Als ihn Gunter schließlich an seinen Lehenseid erinnerte, gab Hagen nach und willigte ein. Doch hier am Wasigenstein habe auch er keine Chance gegen Walther und man solle warten, bis Walther und Hildegunde abgezogen waren. Die müden Recken auf beiden Seiten gönnten sich eine Nacht lang Ruhe.

Am nächsten Morgen war Walther sehr erstaunt, es war nämlich kein Feind mehr zu sehen. So zog er halb hoffend, halb bangend, mit seiner Hildegunde weiter. Doch auf einer Lichtung, noch in der Nähe des Wasigensteins, stellte Gunter und Hagen das Paar.

Walther erinnerte seinen alten Gefährten Hagen an beider Freundschaft, doch traurig forderte Hagen Walther zum Kampf: Walther habe seinen Neffen Patafried erschlagen und im übrigen stünde er unter dem Eid Gunters.

Der Kampf begann, zwei gegen einen, und die Jungfrau Hildegunde beobachtete mit bangem Blick das Geschehen. Heftig tobte der Streit und Walther fügte dem König Gunter eine schwere Wunde am Oberschenkel zu. Schon schien der König verloren, denn Walther holte zu einem letzten Schlag aus. Da warf sich Hagen von Tronje mutig zwischen seinen Herrn und seinen Freund. Am Helm Hagens zerbrach die Klinge Walthers. Hagen nutzte seine Chance sofort und schlug mit kräftigen Streich Walther die rechte Hand ab. Von Schmerz und Grimm durchzuckt, zog Walther mit der Linken sein hunnisches Krummschwert und schmetterte es mit solcher Gewalt über den helmbewehrten Kopf Hagens, daß dieser ein Auge und sechs Backenzähne verlor.

Der Kampf war beendet und Hagens Traum hatte sich bewahrheitet. Walther rief nach Hildegunde. Diese erschrak, doch sie beeilte sich, den Aufforderungen Walthers, zuerst seinen Freund Hagen, dann sich selbst, zuletzt aber den perfiden König Gunter zu versorgen, nachzukommen. Die alten Freunde versöhnten sich und nach ein paar Tagen der Genesung, traten Walther und Hildegunde die Heimreise an. Bald darauf wurde ihre Hochzeit gefeiert.

Neben dieser Erzählung gibt es weitere Sagen im Dunstkreis des Wasigensteins, so über den nahe gelegenen Maimont, einer keltischen Kult- und Opferstätte. Unter anderem ist dort von einem verborgenen Schatz die Rede.

Bemerkungen

  1. Carte des Vosges, Vosges du Nord 164/192 oder Topographische Wanderkarte Dahn und Umgebungen, Landesvermessungsamt Rheinland-Pfalz.
  2. Die vollständige Auflistung der Literatur befindet sich am Ende des Werks.
  3. Bartsch/Bieker, Vom Trifels zum Hambacher Schloß, Seite 136. Die Autoren nennen keine Quellen, die Angaben sind somit nicht belastbar. Das Werk ist eher touristisch orientiert und daher nicht verläßlich. Möglicherweise handelt es sich sogar um einen Druckfehler. Zu Mandel schreibt Biller in einem Brief vom August 1992 an mich, daß an dessen Zuverlässigkeit umfassend zu zweifeln sei.
  4. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit ist das Buch »Felsenburgen im Wasgau« des Autors, in dem der Versuch der Gesamtdarstellung eines Burgentyps einer Region unternommen wird, noch nicht veröffentlicht.
  5. Peter Müller, Seite 70, Bem. 50, Biller Windstein, Seite 48, Lehmann, 13 Burgen.., Seite 198(hier die fälschliche Jahreszahl 1272)
  6. Biller, Windstein, Seite 48
  7. letztere Daten alle aus Lehmann, 13 Burgen.., Seite 198/199
  8. Peter Müller, Seite 70, Bem. 51
  9. Peter Müller, Seite 71, Bem. 62 und näher erläutert bei Piper, S. 576/77
  10. Über die Burganlage Zigeunerfelsen lese man u.a. bei Biller, Windstein.., S. 51 (dort "Zigeunerschlössel"), oder in der unveröffentlichten Arbeit »Felsenburgen im Wasgau« des Verfassers
  11. Peter Müller, Seite 647
  12. Lehmann, 13 Burgen.., Seiten 196 - 215
  13. Peter Müller, Seite 70, Bem. 51, ausführlicher Lehmann, 13 Burgen.., Seite 205.
  14. Peter Müller, Seite 647, auch Lehmann, 13 Burgen.., Seite 206.
  15. Peter Müller, Seite 648
  16. Lehmann, 13 Burgen.., Seiten 207/208
  17. Lehmann, 13 Burgen.., Seite 211.
  18. Peter Müller, Seite 649
  19. Peter Müller, Seite 649, Bem. 1068
  20. Lehmann, 13 Burgen.., Seite 215
  21. Beide Burgen werden ausführlich in dem Buch »Felsenburgen des Wasgaus« des Autors behandelt. Zur Datierung siehe Biller, Windstein.. .
  22. Biller, Windstein.., S. 272-285, besonders Abbildung 76, S. 277.
  23. Inventar Kaiserslautern, S. 234-248, besonders S. 234 unten
  24. Hier topologisch begründeter, siebeneckiger Bergfried, aus dem Konzept für einen fünfeckigen Bergfried heraus entstanden.
  25. Der Bergfried ist heute nicht mehr zu besteigen. Aus diesem Grund kann die Aufnahme der Gesamthöhe nur optisch und rechnerisch vorgenommen werden. Ich habe dazu die fototechnische (siehe Abbildung 10) Methode und eine Messung/Rechnung mit Hilfe eines selbstgebauten Theodoliten durchgeführt. Beide Methoden sind trotz aller Sorgfalt natürlich mit Ungenauigkeiten behaftet, ergaben aber unabhängig voneinander etwa gleiche Werte. Somit ist der Wert von 13m nicht unbedingt belastbar, aber doch sicherlich brauchbar. Die Werte für die Geschoßhöhen, so wie natürlich die der Kantenlängen, sind exakt gemessen.
  26. So bei Wolff, Burgenlexikon.., S.358; Vogesenclub, S. 190, hier wird von der Erwähnung einer Burgkapelle aus dem Jahre 1306 geschrieben; Braun, Rundgänge.., S. 78, schreibt ebenfalls von einer Kapelle.
  27. Der Neuwindsteiner Wohnturm wird erschöpfend in der Windsteinarbeit von Biller erläutert, siehe in der Literaturliste. Die Wasenburg wird in dem unveröffentlichten Buch des Autors näher beschrieben.
  28. Greder, A la découverte des Châteaux Forts d'Alsace, Seite 223.
  29. Der Autor beschreibt diese Konstruktion näher in dem Wasgauer Felsenburgenbuch.
  30. Man vergleiche die mindere bauliche Qualität der Anfang des 14tenJahrhunderts erbauten Burg Klein-Arnsberg, die zu Beginn ebenfalls Wasigensteiner Besitz war.

Anfahrt zur Burg

Der Besuch der Burg ist unbedingt zu empfehlen, daher ist hier die Anfahrt und der Anmarsch zur Burg beschrieben.

Man erreicht den Wasigenstein mit dem Auto, obwohl hart an der deutschen Grenze gelegen, am besten von Frankreich aus. Fährt man von Dahn in der Pfalz aus über Rumbach nach Schönau und von dort über die Grenze bei Hirschthal nach Frankreich, so biege man nach etwa 4km nach rechts ab auf die Straße D3 nach Niedersteinbach. Kurz hinter Niedersteinbach, in westlicher Richtung, zweigt rechts eine kleine Fahrstraße nach Wengelsbach ab, die bereits den Hinweis auf den Wasigenstein trägt. Dieser Fahrstraße folge man ca. 2km immer bergauf. Hat man die Bergkuppe erreicht und hinter sich gelassen, so fahre man nach wenigen Metern in einer scharfen Rechtskurve auf einen links liegenden, kleinen Waldparkplatz bei dem Klingenfelsen. Von dort führt ein beschilderter Fußweg (rotes Rechteck) in Richtung Nordwesten bergab(!) in etwa 10 Minuten zur Burg.

Ein Tip für Fotofreunde: wer die Burg in ihrer Gesamtheit fotografieren möchte, hat normalerweise seine Schwierigkeiten bei der Auswahl eines geeigneten Standplatzes. Wer jedoch vom Parkplatz ein kleines Stück den Waldweg in südöstlicher Richtung hinan steigt, kann durch die Bäume, am besten im Herbst, einen guten Blick auf die gesamte Burganlage erheischen. Besonders gut ist der Blick auf den Wasigenstein vom Bellevue auf dem Armersberg aus. Allerdings muß man dazu einen etwa 30-minütigen Anstieg von der Ortsmitte in Obersteinbach aus im Kauf nehmen.

Weitere interessante Wanderungen zum Wasigenstein starten vom Ortsanfang von Obersteinbach durch das Tal des Langenbachs (dem roten Rechteck folgen, Wanderzeit eine Strecke 45 Minuten) oder von der Ruine Blumenstein, also von Deutschland aus über den Maimont (Wanderweg Nummer 2 vom Blumenstein aus, später in Frankreich dem rot-weiß-rotem Rechteck folgen, Wanderzeit eine Strecke eine knappe Stunde).

Die Burg ist jederzeit frei zugänglich.

Literatur

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Burgen und Schlösser in Rheinland-Pfalz. Hrsg. Fremdenverkehrsverband Rheinland-Pfalz, Koblenz 1985

Bartsch, Susanne u. Bieker, Josef
Vom Trifels zum Hambacher Schloß, Burgen im Pfälzer Wald, Die bibliophilen Taschenbücher Nr. 429, Dortmund 1988

Biller, Thomas
Die Burgengruppe Windstein und der Burgenbau in den nördlichen Vogesen. Untersuchungen zur hochmittelalterlichen Herrschaftsbildung und zur Typenentwicklung der Adelsburg im 12. und 13, Jahrhundert. 30. Veröffentlichung der Abteilung Architektur des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln 1985

Braun, G. (Herausgeber)
Stauferburgen am Oberrhein, G. Braun GmbH, 1. Auflage, Karlsruhe, 1977. Mit Texten von Prof. Dr. Odilo Engels, Prof. Dr. Friedrich Wielandt, Alf Rapp und Guy Trendel.

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Rundgänge durch die Burgen des Elsaß, Delta 2000, S.A.E.P., Colmar (ohne Jahresangabe, nach 1977)

Caboga, Comte Herbert de
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Durlewanger, Armand
Les Châteaux-Forts d'Alsace, Editions Mars et Mercure, Strasbourg 1972

Ebhardt, Bodo
Der Wehrbau Europas im Mittelalter, 3 Bde. 1939, Unveränderter Nachdruck Verlag Wolfgang Weidlich, Frankfurt 1977

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Greder, Marc
A la découverte des Châteaux Forts d'Alsace. Histoire - Description - Guide pratique, Editions Salvator, Mulhouse 1985

Hotz, Walter
Pfalzen und Burgen der Stauferzeit. Geschichte und Gestalt, Wissenschaftliche Buchgemeinschaft, Darmstadt 1981

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Handbuch der Kunstdenkmäler in Elsaß-Lothringen, Deutscher Kunstverlag, München 1976

Keddigkeit, Jürgen u. Kratz, Helmut
Burgen der Pfalz in Luftaufnahmen, Pfälzische Verlagsanstalt, Landau 1989

Lehmann, Johann Georg
Dreizehn Burgen des Unter-Elsasses und Bad Niederbronn. Nach historischen Urkunden, Verlag von Karl J. Trübner, Straßburg 1878

Mandel, E.
Die Burgruinen der Nordvogesen, ihre Entstehung und Geschichte, Niederbronn-les-Bains 1966

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Les Châteaux Forts, Inter Impression, Metz 1980

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Burgenkunde, Bauwesen und Geschichte der Burgen, München 1912, verbesserter und erweiterter Nachdruck der 3. Auflage, Verlag Weidlich, Würzburg 1967

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